Der B2B-Sektor dient häufig als Gradmesser für die Reife und die Akzeptanz neuer Technologien. Das gilt derzeit auch für das omnipräsente Thema Artificial Intelligence. Während B2B-Unternehmen ihre Aufmerksamkeit aktuell vor allem auf den Bereich “Generative AI” richten, lohnt es sich für B2B-Entscheider:innen, genauer hinzusehen und herauszufinden, welche konkreten AI-Ansätze abseits des Hypes tatsächlich Wettbewerbsvorteile, Effizienzgewinne und eine Antwort auf die weiterhin drängende Herausforderung des Fachkräftemangels zutage fördern.
Bemerkenswert dabei ist, dass innerhalb von B2B-Organisationen die Einschätzung dessen, ob das eigene Unternehmen hinsichtlich der Implementierung von AI auf einem guten oder schlechten Weg ist, weit auseinandergeht. Vor allem zwischen der Führungsebene und den Fachabteilungen herrscht hier weitgehend Uneinigkeit, wie eine aktuelle Studie der international anerkannten Unternehmensberatung Horváth & Partners zeigt. [1]
Wie steht es also um den heutigen sowie zukünftigen Wertschöpfungsbeitrag von Artificial Intelligence in B2B-Unternehmen, insbesondere im rasant wachsenden Bereich des B2B-E-Commerce? Welche konkreten Anwendungsfälle und Technologien sind hier besonders aussichtsreich und sollten daher von B2B-Entscheider:innen in ihrer AI-Strategieplanung unbedingt berücksichtigt werden? Das wollen wir in diesem Artikel klären.
Der AI Hype Cycle: ChatGPT ist noch keine AI-Unternehmensstrategie
“Artificial Intelligence” war und ist schon immer ein Gattungsbegriff für verschiedene Technologien, die darauf ausgelegt sind, menschenähnliche Intelligenzleistungen zu erbringen. Dazu gehören Fähigkeiten wie Lernen, Problemlösen, Wahrnehmung, Sprachverstehen und Entscheidungsfindung – also essentielle Skills, die in jeder (B2B-)Organisation über Erfolg und Scheitern entscheiden. Der Vorteil gegenüber dem Mensch: Das alles passiert in Windeseile, mit weniger Ressourceneinsatz und häufig mit einer geringeren Fehleranfälligkeit.
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht macht es daher für nahezu jedes B2B-Unternehmen Sinn, AI in der ein oder anderen Form einzusetzen. Das sieht mittlerweile ein Großteil der Unternehmen aus dem B2B-Sektor genauso: Knapp 74 Prozent der teilnehmenden B2B-Händler:innen einer Studie des ECC Köln und der Creditreform bestätigen, dass sie bereits 2023 Investitionen in AI getätigt haben und 2024 vorhaben, diesen Weg weiter zu beschreiten. [2] Vom Mittelständler bis zum Konzern entstehen also aktuell AI-Spielwiesen, auf denen vor allem einzelne, vielversprechende Tools ausprobiert werden. Bestes Beispiel: ChatGPT.
Doch der Einsatz von ChatGPT macht ein B2B-Unternehmen nicht sofort zum AI-Champion. B2B-Entscheider:innen sollten sich vielmehr mit den verschiedenen Anwendungsbereichen von Artificial Intelligence und deren technologischen Reifegraden beschäftigen – kurzum: Es braucht eine durchdachte, nachhaltige AI-Unternehmensstrategie.
Ein guter Anhaltspunkt ist hier der “Gartner® Hype Cycle™ for Artificial Intelligence”, der “Innovationen und Techniken identifiziert, die bedeutende und sogar transformative Vorteile bieten, während sie auch die Einschränkungen und Risiken fehleranfälliger Systeme angehen.” [3]
Quelle: https://www.gartner.de/de/artikel/neues-aus-dem-gartner-hype-cycle-2023-zum-thema-ki
Während “Generative AI” derzeit auf dem Gipfel der überzogenen Erwartungen gastiert, sind andere AI-Technologien wie z. B. “Computer Vision”, die “Kennzeichnung und Beschriftung von Daten”, sowie “intelligente Anwendungen” nicht mehr weit entfernt vom Plateau der Produktivität.
Für den B2B-Bereich gilt es hier vor allem Themen wie “Composite KI”, “Decision Intelligence” oder “Verantwortungsvolle KI” zu beobachten.
AI-Strategieplanung: Von den Low Hanging Fruits zur AI-Revolution
Wir bei Shopware sind der Meinung, dass sich B2B-Entscheidungsträger:innen nicht vom Gartner AI Hype Cycle blenden lassen sollten; Die meisten der genannten Trends werden innerhalb der nächsten 2 bis 5 Jahre produktiv einsetzbar sein und die Wertschöpfung von B2B-Unternehmen massiv beeinflussen. Es ist daher höchste Zeit, sich über eine zielführende AI-Strategie Gedanken zu machen, um nicht plötzlich von der Vielzahl neuer AI-Anwendungsfälle überrascht zu werden.
Gerade der B2B-E-Commerce bietet aufgrund seines digitalen Plattform-Charakters, seiner mehrstufigen Workflows sowie seiner Datenanalyse-Potentiale zahlreiche Chancen, um sich mit den Fähigkeiten und Vorteilen von AI vertraut zu machen und AI-getriebene Zukunftsstrategien aufzustellen. Aber fangen wir mit den Low Hanging Fruits, also den schnell und einfach implementierbaren AI-Anwendungen an, die bereits heute verfügbar sind:
Personalisierte Customer Experience: Mithilfe von AI lassen sich anhand von ausgewerteten Kundendaten maßgeschneiderte Einkaufserlebnisse generieren, z. B. in Form von personalisierten Shopping-Pages, die auf die Präferenzen der Kundschaft ausgerichtet sind.
Dynamische Preis- und Angebotsgestaltung: Auf Basis von Live-Daten von Wettbewerbern werden Preise und Angebote im Webshop dynamisch angepasst.
Prozessautomation: Während Prozessautomation in der Vergangenheit überwiegend regelbasiert organisiert war, übernehmen smarte Algorithmen zunehmend den Lead. Zum Beispiel im Retourenmanagement: Durch die Analyse von Rückgabemustern können B2B-Unternehmen Rücksendungen besser automatisieren und dadurch schneller und effizienter abwickeln.
Predictive Analytics: Zum einen kann die Beschaffung von Produkten durch AI-Analytics optimiert werden, indem z. B. historische Daten zur Vorhersage des zukünftigen Bedarfs und damit zur Bestandsoptimierung verwendet werden. Zum anderen können auf Basis von AI-generierten Erkenntnissen aus Verkaufs- und Kundendaten Rückschlüsse auf das zukünftige Produktangebot abgeleitet werden.
Skalierbare Kundeninteraktionen: Der Service- und Support-Bereich lässt sich u.a. durch intelligente Chatbots automatisieren und skalieren.
Fraud Protection: AI-Algorithmen erkennen Signale, die auf betrügerisches Verhalten im Onlineshop hindeuten und können automatisiert Gegenmaßnahmen einleiten.
Generative AI: Shopbetreiber:innen können sich durch GenAI z. B. ansprechende Szenerien für die Produktpräsentation erzeugen lassen. Auf Kundenseite kann GenAI hingegen für die Sprachsuche im Onlineshop (Speech-to-text) oder sogar für die Bildsuche (ähnliche Shopprodukte werden anhand einer Bildvorlage gesucht) verwendet werden.
Moderne E-Commerce-Plattformen wie Shopware bieten viele der oben genannten AI-Features bereits out-of-the-box. Verfügt der Shopsystem-Anbieter darüber hinaus über ein großes Ökosystem an Integrationspartnern und Apps, können mit wenigen Klicks auch Extensions installiert werden, die weitere AI-Anwendungsfälle abdecken. Die Einstiegshürden für einen ersten AI-Push im B2B-Unternehmen sind durch fortschrittliche E-Commerce-Systeme daher vergleichsweise niedrig.
Für eine durchdachte AI-Strategie ist es allerdings ebenso wichtig, nicht nur an morgen, sondern auch an die weiter entfernte Zukunft zu denken. Zu Beginn des Strategieprozesses sollten sich B2B-Entscheider:innen daher folgende Fragen stellen:
Welche Technologien werden nach dem ersten Hype noch existieren und die Branche nachhaltig verändern?
Welche AI-Anwendungsfälle sind überhaupt für mein Kerngeschäft relevant?
Welche Investitionssummen muss ich bereits heute einplanen, um die wichtigen AI-Trends mitgehen zu können?
Ist meine jetzige E-Commerce-Infrastruktur darauf ausgerichtet, AI-Technologien effizient zu implementieren?
An welchen KPIs lässt sich der Erfolg meiner AI-Initiativen messen?
Können die User in meinem Unternehmen mit entsprechenden AI-Tools umgehen und sie gewinnbringend nutzen?
Anhaltspunkte dafür, welche AI-Trends sich durchsetzen werden, bieten unter anderem Forschungsinstitute wie Gartner, Forrester oder PwC, aber auch die Zukunftsvisionen der E-Commerce-Plattformen. Shopware veröffentlicht beispielsweise kommende AI-Features transparent in einer Roadmap und spricht über seine AI-Vision u.a. beim jährlich stattfindenden Shopware Community Day.
AI ist ein Schlüsselfaktor für den Erfolg im B2B-Commerce
Kein Handels-Sektor wächst schneller als der B2B-E-Commerce. "Gartner geht davon aus, dass bis 2025 80 % der B2B-Verkaufsinteraktionen zwischen Anbietern und Käufern über digitale Kanäle erfolgen werden." [4] Mit dieser Entwicklung muss zwingend eine Prozessoptimierung, Effizienzsteigerung und datengetriebene Analyse stattfinden, um maximal von der digitalen Evolution des B2B-Sektors zu profitieren.
AI ist dafür einer der wichtigsten Schlüsselfaktoren. Schon heute lassen sich mit Anwendungen wie dem AI Copilot von Shopware zahlreiche zeitaufwändige, manuelle Prozesse smart automatisieren. Dazu zählt unter anderem AI-generierter Content für Shopping-Erlebniswelten, die AI-basierte Kundensegmentierung zum Zweck automatisierter Marketingkampagnen, AI-generierte Zusammenfassungen von Produktbewertungen, Generative-AI-basierte Funktionen wie die bildbasierte Suche oder Text-zu-Bild-Visualisierungen für Produkthintergründe und vieles mehr.
Du möchtest mehr über Artificial Intelligence und weitere Trends im B2B-Commerce erfahren? Dann haben wir für dich mit unserem B2B-Trends-Report 2024 genau die richtige Anschluss-Lektüre.
[1] https://www.horvath-partners.com/de/cxo-news-abonnieren/ausgabe-1/2024/horvath-studie-mit-vorsprung-durch-die-ki-revolution-was-cxos-jetzt-wissen-muessen [2] https://www.creditreform.de/aktuelles-wissen/pressemeldungen-fachbeitraege/news-details/show/b2best-barometer-investitionen-in-ki-steigen [3] Gartner Article, What's New in Arfificial Intelligence from the 2023 Gartner Hype Cycle, Lori Perri, August 17, 2023. GARTNER is a registered trademark and service of Gartner, Inc. and/or its affiliates in the U.S. and internationally and is used herein with permission. All rights reserved. [4] Gartner Report, The Future of Sales: Digital-First Sales Transformation Strategies, 02 February 2024, https://www.gartner.com/en/sales/trends/future-of-sales .